Den Reisebus hätte man sich sparen können. Ein Transporter hätte auch gereicht. Der Blick auf das Spielprotokoll machte schon vor der Begegnung deutlich, was Matthias Allonge in den letzten Tagen durch den Kopf ging. Gleich fünf Plätze blieben unbeschrieben. Dass er sauer war, ist noch untertrieben. „In jeder anderen Sportart werden die Athleten geschützt. Bei uns geht das nicht.“ Die Auskunft des Staffelleiters, dass „Spiele wegen Krankheit nicht mehr abgesagt werden können“, macht ihn richtiggehend wütend. „Jetzt sind die Vereine und die Liga aufgerufen, sich dagegen zu wehren. Diese unmögliche Regel gehört schnellstens wieder abgeschafft.“ Wetterte der sehr emotionale, wenngleich aber auch immer besonnene Trainer der Lausitzer. „Unser erster Torhüter muss als Kreisspieler auflaufen. Die andere Wechseloption ist ein gerade 18 Jahre alt gewordener Nachwuchsspieler, den ich quasi verheizen und ins kalte Wasser werfen muss. Von den verbliebenen sechs Spielern aus dem Stammkader haben die Hälfte Fieber oder Grippe und gehören eher ins Bett als in eine Turnhalle. Aber wir müssen eben spielen. Das geht einfach nicht. Bei Naumburg gegen Ziegelheim war es das gleiche. Ich kann nur hoffen, dass diese ungleichen Spiele nicht zu den entscheidenden des Abstiegskampfs werden – siehe direkter Vergleich. Dieses Jahr trifft es uns, Naumburg und Freiberg. Im nächsten Jahr vielleicht andere. Letztendlich werden alle die bestraft, die sich keine kurzfristigen Verstärkungen leisten können, weil sie ihr Geld in die Entwicklung des Nachwuchses stecken. Außerdem trifft es immer die Zweitmannschaften der Vereine, die Spieler abstellen müssen und diese gegebenenfalls durch die Festspielregel für längere Zeit verlieren. Wenn ich nur noch drei gesunde Spieler zur Verfügung habe, dann muss das Spiel zukünftig auch wieder verlegt werden können. Wir sind hier nicht im Profibereich. Es sind alles Amateure, die nebenbei zum Teil in Schichten arbeiten gehen oder studieren, ein Praktikum machen oder ihre Examensarbeit schreiben, die Familie haben und die vor allem den Handball als Hobby sehen. Wenn man ihnen jetzt auch noch zumutet, ihre Gesundheit aufs Spiel setzen zu müssen, können wir das Licht gleich ausmachen und den Laden zusperren. Was alles durch verschleppte Krankheiten passieren kann, ist hinlänglich bekannt. Diese Regel verkörpert nicht den Grundsatz der Sportlichkeit.“ Einen solchen Wutausbruch gab es in den ganzen fünf Jahren seiner Trainertätigkeit beim LHV bisher noch nicht. Seine Reaktion nach der Bekanntgabe der Spielabsage des Abstiegsgipfels Naumburg – Radis wegen der kurzfristigen Sperrung der Domgymnasiumshalle in Naumburg soll hier nicht extra kommentiert werden.
Doch Matthias Allonge wäre nicht Matthias Allonge, wenn er nicht auch in Wolfen eine Strategie aus dem Ärmel gezogen hätte, mit der vielleicht doch eine Überraschung hätte gelingen können. Man muss das schon so sagen, gegen eine Mannschaft, die in den letzten elf Spielen nur einmal gewinnen konnte, war der LHV in einer echten Außenseiterposition. Nach den Langzeitausfällen Dustin Klinge, Max Werlisch und Christian Herzer, traf es nun auch noch die Schlüsselspieler Steve Däumel und Lukas Baase, die gar nicht erst mitfahren konnten, sowie Ringo Schäfer, dessen Auflaufen reines Wunschdenken war. Dazu rollte in der Vorwoche die schon erwähnte Grippewelle über die Zusestädter. Die oberste Maxime war also das Haushalten mit den eigenen Kräften. Das sah man schon beim Warm-Up. Intensiv ja, aber jeder einzelne zusätzliche Lauf-Meter wurde weggelassen.
Auf dem Spielfeld begann der LHV wieder einmal mit einer „Allonge’schen Neuerung“. Eine 5-1 Abwehr ist ja nichts Unbekanntes, aber wo sich der „Vorgezogene“ positionierte, glich schon wieder dem berühmten Griff in die Trickkiste. Nicht wie üblich zwischen eigener Abwehr und gegnerischem Rückraum, sondern zwischen dem Spielmacher der Gastgeber und der Mittellinie tauchte das weiße LHV-Trikot bei ca. sechzehn Metern auf, immer bereit in einen Querpass der Wolfener zu laufen. Aber auch, um einen schnellen Konter mit nur 15 Metern Laufweg fahren zu können. Defensiv hatte diese Variante insofern gegriffen, dass der fünfer Abwehrriegel der Zusestädter nach zehn Minuten auch nur durchschnittliche fünf Gegentreffer kassierte, bei den eigenen Angriffsbemühungen allerdings war da noch gähnende Leere. Zehn Minuten ohne eigenes Tor veranlassten den Coach zum Ziehen der grünen Karte. Dieser 0:5 Rückstand zog sich wie ein roter Faden durch die erste Halbzeit. Als im achten Angriff dann erstmals der Ball im Tor des Wolfeners Steve Müller zappelte, waren die Lausitzer auch im Spiel angekommen. Bis zur Pause tat sich in dieser niveauarmen Partie sehr wenig, einzig die Torhüter beider Mannschaften entsprachen der Spielklasse. Mit einem 12:8 Zwischenstand wurden die Seiten gewechselt.
Drei Treffer in Folge und der LHV war nach dem Pausentee wieder dran (12:11/37.). „Normalerweise bist du dann auch im Spiel drin. Mal ein Tor vorn oder zurück, oder auch zwei, das ist nicht das Entscheidende. Du musst dir nur konsequent deine Chancen erarbeiten und auch nutzen.“ Sah der Trainer die jetzt beginnende entscheidende Phase des Spieles. Der LHV vergab seine Möglichkeiten, die HSG nutzte gleich vier in Folge. Die Aufholjagd war beendet, Wolfen führte wieder mit fünf Toren. (16:11/41) Kurz darauf bekam der Hoyerswerdaer Coach die berühmten zwei Finger vor die Nase gehalten, so dass Robert Devantier, drei Tage zuvor 30 Jahre alt geworden, jetzt seine mentalen Beruhigungskünste beim LHV-Trainer anwenden musste. Der Spielstand pegelte sich fortan bis in die Schlussphase bei durchschnittlichen fünf Toren ein. In den Schlussminuten wurde es dann noch einmal hitzig. 23:21 stand es nach 59 Minuten. Ein Lattenknaller im Konter und ein vergebener Strafwurf, dazu noch weitere vergebene gute Torchancen. Das Spiel hätte sogar noch kippen können, weil die Gastgeber zuvor nur noch zu dritt auf der Platte standen. „Zur Spielleitung sage ich nach wie vor nichts. Aber da haben die Schiedsrichter endlich die Härte geahndet. Es gibt Situationen und Regeln, wo ich gar nicht erst mit Progression anfangen, sondern gleich Zeitstrafen verteilen muss. Ihre Aufgabe ist es vornehmlich, die Spieler zu schützen. Erst recht, wenn sie schon vorher sichtbar angeschlagen sind.“
Das Spiel endete schließlich mit dem Treffer des Wolfeners Stefan Gragert zum 24:21. In der LHV-Kabine herrschte anschließend lautlose Stille. Das Häufchen aufrichtiger Kämpfer ist über seine Grenzen hinausgegangen und war einfach nur noch platt. Dazu gesellte sich die Erkenntnis, dass mit einer besseren Chancenverwertung doch ein oder zwei Punkte hätten mitgenommen werden können. Dennoch kein Vorwurf an die Mannschaft. Sie hat alles gegeben. Mehr war einfach nicht drin. Die jetzt anstehende vierzehntägige Regenerationspause kommt mehr als gerufen.
LHV: Max Kastner – Tobias Sieber (7/3), Alexander Canbek (4), Robert Devantier (4), Nico Pollack (2), Franz-Richard Breß (1), Conni Böhme (1), Ronny Eckert (1), Eric Zeithamel
Quelle : HP LHV Hoyerswerda
Maik aus Chem Admin
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Bevor es in eine vierzehntägige Pause geht, müssen die Männer vom Handballoberligisten LHV Hoyerswerda am Sonnabend noch einmal ran. Ziel der achten Auswärtsfahrt der Saison 2012/13 ist die Filmstadt Wolfen, wo sie auf die gastgebende HSG treffen werden.
Doch was wird das für eine Mannschaft sein, die Matthias Allonge und seine Männer dort erwartet? Die Gastgeber haben sich in der Saison mit zwei extremen Gesichtern präsentiert. Zuletzt hagelte eine Niederlage nach der anderen auf die Mannschaft von Wolfgang Spitz hernieder. 3:19 Punkte aus den letzten elf Spielen ließ sie im freien Fall ganz tief in die Abstiegszone abstürzen. In den letzten 8 Partien reichte es nur im Nachbarschaftsderby mit den Hallensern zu einer Punkteteilung. Ansonsten gingen sie immer zum Teil deutlich geschlagen als Verlierer vom Parkett. Erst ein einziger Heimsieg (24:20 gegen Radis), flankiert von zwei Unentschieden (26:26/Ziegelheim und 37:37/Halle) stehen in den diesjährigen Protokollen. Das ist eigentlich zuwenig, um den angestrebten Klassenerhalt auch zu schaffen; müssen doch die notwendigen Punkte in dieser ausgeglichenen Liga vornehmlich in der eigenen Halle geholt werden. Gelingt dies nicht, ist man auf unerwartet gewonnene Zähler in der Fremde angewiesen. Doch gerade da hat die HSG Wolfen ihr zweites, ihr starkes Gesicht präsentiert und gezeigt, zu was sie eigentlich im Stande ist: In Freiberg (26:21) klar gewonnen, in Staßfurt (27:21) ebenso. Und was am meisten wurmt, auch in Hoyerswerda waren sie beim 32:26 die klar bessere Mannschaft. Drei Spielorte, die von Gastmannschaften gemeinhin als hohe Hürden bezeichnet werden, und dreimal klar gewonnen. Auch das ist die HSG Wolfen.
Matthias Allonge sollte mit seinen Schützlingen noch einmal das Video aus dem Hinspiel für die Vorbereitung zu Rate ziehen. 10:19 stand es da zur Pause. Die „Gelben“ aus der Filmstadt hatten die Zusestädtische Abwehr richtiggehend auseinander genommen und vorgeführt. Jeder Wurf war da ein Treffer. Eric Zeithamel und Max Kastner standen auf verlorenem Posten. So frei wie damals dürfen die Bernhard, Hein, Gragert oder Baumbach am Sonnabend nicht noch einmal zum Torewerfen eingeladen werden.
Mit welchem Personal der Trainer dies aber angehen wird (oder besser gesagt kann!), ist momentan ein einziges großes Fragezeichen. „Ich hab unter der Woche nur 2 Torhüter und drei Feldspieler zum Training gehabt. Die Grippewelle hat bei uns voll zugeschlagen. Wir haben eh nur einen kleinen Kader und dann auch noch das.“ Hadert Matthias Allonge mit der Situation. „Da wird wohl der eine oder andere aus der zweiten Mannschaft aushelfen müssen. Spielverlegungen wegen Krankheit sind ja so einfach nicht mehr möglich.“ Es wird ganz, ganz schwer, zwei weitere wichtige Punkte für den Klassenerhalt einzusammeln.
„Die Tabelle ist trügerisch. Wir sollten uns nicht von ihr leiten lassen. Mit zwei Siegen in Folge kannst du schnell mal zwei drei Plätze nach oben kommen. Aber auch anders herum mit zwei Niederlagen schnell abrutschen.“ Hatte Matthias Allonge nach dem Heimsieg gegen Naumburg noch gesagt. Wie wichtig die zwei am Sonnabend zu vergebenden Punkte sind, zeigt der Blick auf eben jene Tabelle. Durch die Ergebnisse in der Vorwoche tauschten Wolfen und Hoyerswerda die Plätze. Für die HSG ergibt sich dadurch die Möglichkeit, dies mit einem Heimsieg wieder rückgängig zu machen. Der LHV aber könnte sich mit einem weiteren Erfolg in der Filmstadt ein wenig von der Abstiegszone lösen. Gewinnen die Lausitzer in Wolfen, haben sie vier Punkte Vorsprung auf die Gastgeber. Die Vorzeichen des Spiels sind also klar: Für den LHV bietet sich trotz der personellen Anspannung eine große Chance sich von der Abstiegszone absetzen zu können. Bei der HSG aber wächst der Druck des „punkten müssens“, soll der Anschluss ans Mittelfeld nicht verloren gehen.
Ein Blick in die Historie sieht den LHV leicht im Vorteil. In Wolfen hat er schon zweimal gewonnen und nur einmal verloren. Von sieben Spielen insgesamt, gewannen die Lausitzer immerhin fünf. Dennoch gehen sie nicht als Favoriten in dieses sechzehnte Meisterschaftsspiel. Vielmehr wird dessen Ausgang von der Tagesform, den personellen Optionenen und vor allem von den mentalen Fähigkeiten der einzelnen Akteure abhängen. Das Hinspiel sollte Warnung genug sein, die HSG Wolfen nicht aufgrund ihrer letzten Ergebnisse zu unterschätzen.
Quelle: HP LHV Hoyerswerda - Klick hier
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